Der Beruf des Social Media Managers befindet sich seit Jahren im Wandel. Langsam festigen sich die Aufgabenbereiche, wenngleich die tägliche Arbeit nach wie vor sehr stark von Branche, Unternehmensgröße und Unternehmenskultur ab. Wir haben uns für dieses Thema jemanden ans virtuelle Mikrofon geholt, die sicher dazu etwas sagen kann: Vivian Pein. Vivian Pein ist nicht nur für ihre frühere Tätigkeiten bekannt, sondern hat ein Buch zum Berufsbild Social Media Manager geschrieben und ist daher ein hervorragender Gesprächspartner.
Hallo Vivian, du bist sicherlich vielen Leuten bekannt, dennoch würde ich dich bitten, dich kurz unseren Lesern vorzustellen.
Mein Name ist Vivian Pein, ich bin seit Mitte der 90er im Web unterwegs, habe Ende 2006 mein erstes hauptberufliches Web2.0 Projekt übernommen, war Community Managerin bei XING, verantwortlich für die Social Media Strategie, sowie den Aufbau des Community-Support-Teams von Hermes und helfe Unternehmen dabei Social Media in die Firmenkultur zu integrieren. Darüber hinaus organisiere ich leidenschaftlich gerne Barcamps, darunter die größte (Un)Konferenz für Social Media und Community Manager, das CommunityCamp und bin im Vorstand des Berufsverbandes für eben diese digitalen Berufsbilder, dem BVCM.
Du bist einige Jahre im Geschäft und schon sehr früh mit dem Beruf des Community Manager in Berührung gekommen. Wie hat sich aus deienr Sicht, das Berufsbild des Social Media Managers (der evtl. auch eine kleine Community gebildet hat) / Community Managers über die Jahre verändert?
Das Berufsbild des Community Managers existierte schon um die Jahrtausendwende, der Social Media Manager trat erst Mitte 2008 auf der Bildfläche auf und wurde Mitte 2010 dann so richtig populär. Das liegt zum einen daran, dass der Begriff “Social Media” zu diesem Zeitpunkt in Deutschland gehyped wurde, zum anderen daran, dass Unternehmen sich verstärkt mit dem Social Web auseinander setzten und natürlich nicht zuletzt an der Wandlung der Weblandschaft insgesamt. Unternehmen mussten nicht mehr länger aktiv eine eigenen Community initiieren um mit Ihren Anspruchsgruppen im Web zu kommunizieren, es gibt heutzutage zahlreiche Plattformen, auf denen eben diese Plattform eingerichtet werden kann.
Im Zuge dieser Entwicklung fand eine Ausdifferenzierung des Berufsbild des Community Managers statt. Das lässt sich Hervorragend an der Definition für Community Management des Bundesverbandes für Community Management, digitale Kommunikation und Sozial Media (BVCM), aufzeigen.
»Community Management ist die Bezeichnung für alle Methoden und Tätigkeiten rund um Konzeption, Aufbau, Leitung, Betrieb, Betreuung und Optimierung von virtuellen Gemeinschaften sowie deren Entsprechung außerhalb des virtuellen Raumes. Unterschieden wird dabei zwischen operativen, den direkten Kontakt mit den Mitgliedern betreffenden, und strategischen, den übergeordneten Rahmen betreffenden, Aufgaben und Fragestellungen.«
Diese Definition wurde kurz vor dem Hype des Social Media Managers erstellt. Im Zuge der Ausdifferenzierung passierte nun folgendes. Der Fokus des Sozial Media Managers liegt heute auf der Etablierung und Weiterentwicklung eines übergeordneten, strategischen Rahmens für das Social-Media-Engagement eines Unternehmens. Dies gilt nach innen (Prozesse, Schnittstellen, Koordination, etc.), wie nach außen (Auswahl der Plattformen, Monitoring etc.). Die Kernaufgabe des Community Managers liegt in dem direkten Dialog mit Anspruchsgruppen. Er ist Interessenvertretung und Vertrauensfigur der Community. Genauso ist dieser für die Aktivierung zuständig, Experte für Stimmung und Befindlichkeit seiner Community und bei der Krisenkommunikation an vorderster Front.
So sieht zumindest das Idealbild aus, in der Realität gibt es natürlich auch immer wieder Mischformen und Überschneidungen in den Berufsbildern, was aber bei der Historie auch nicht verwunderlich ist.
Welche Herausforderungen muss sich jemand stellen, der das Thema neu in ein Unternehmen einführt / die Erstbesetzung inne hat?
Die erste Herausforderung ist Erwartungsmanagement. Wenn noch keinerlei Strukturen und Prozesse im Unternehmen vorhanden sind, ist es illusorisch innerhalb von zwei Wochen aktiv loszulegen, zumindest wenn man es anständig machen möchte. Die erste Zeit wird stark geprägt sein von Gesprächen und Grundsteinlegung, von Lobbyarbeit und von Bürokratie. Allein eine vernünftige Strategie zu erstellen und mit allen relevanten Stellen abzustimmen, kann Monate dauern. Gleiches gilt für die Einrichtung von Prozessen und Schnittstellen für ein professionelles Engagement. Hier braucht es einen langen Atem und viel Eigenmotivation.
Welche internen Prozesse müssen gestaltet werden?
Das kommt natürlich sehr auf das Unternehmen, die bestehenden Prozesse und Strukturen an. Ein paar Klassiker sind an dieser Stelle
- Betreuung der unterschiedlichen Social Media Kanäle
- Monitoring und Reporting
- Zusammenarbeit zwischen dem Social Media / Community Team und dem Kundenservice, der Presseabteilung und dem Marketing
- Krisenkommunikation
- Rückfragen an Fachabteilungen
- Erstellung von Inhalten jeglicher Art
- Möglichst schnelle und lückenlose unternehmensweite! Informationsverteilung und -weitergabe
- Feedback Prozesse (Wie die Rückmeldungen der Kunden in den Geschäftsprozess integriert werden können)
- Schulung- und Coaching von Mitarbeitern
- uvm.
Jedes Unternehmen ist anders, die Tätigkeit, Ausrichtung und sogar die Größe machen mitunter Prozesse in einem Unternehmen notwendig, die für ein anderes unwichtig bis irrelevant sind. Entsprechend ist es wichtig sorgfältig zu analysieren und sämtliche Prozesse vor einem Start in Echtheit mehrfach zu proben.
Aus welche Probleme stößt man dort am häufigsten und wie löst man diese?
Wie in jedem Veränderungsprozess, stößt auch der Social Media Manager bei der Einrichtung von neuen Arbeitsweisen auf Misstrauen, Zweifel an der Sinnhaftigkeit und sogar Angst. Der beste Weg ist an dieser Stelle, alle Beteiligten möglichst früh ins Boot zu holen. Zunächst gilt es hier ein Verständnis dafür zu schaffen, was Social Media für das Unternehmen bedeutet und warum dafür neue Arbeitsweisen notwendig sind. Dann setzt man sich mit jeder Abteilung in einem Workshop zusammen und erarbeitet gemeinsam die bestmögliche Lösung. So gibt man allen das Gefühl ein Teil der Veränderung zu sein und sichert sich Unterstützung bei dem Vorhaben. Weitere wichtige Faktoren sind hier, volle Unterstützung von der Geschäftsführung und Meinungsführern im Unternehmen, sowie die Positionierung des Social Media Managers als echtem Experten auf seinem Gebiet und einer geschätzten Persönlichkeit im Unternehmen.
Ein weiteres Problem ist meiner Erfahrung nach, das Abteilungen es nicht gewohnt sind eng zusammen zu arbeiten. An dieser Stelle funktionieren interdisziplinäre Teams oft sehr gut um das Eis zu brechen. Machen Sie die Personen in den jeweiligen Abteilungen ausfindig, die Interesse an dem Thema Social Media haben(oder alternativ einer spannenden Herausforderung, falls sich wirklich niemand findet), etablieren Sie diese als Schnittstelle zu Ihnen und untereinander, machen Sie mindestens einmal im Monat Meetings zur Abstimmung und prägen sie ein Verständnis von einem “Social Media Team”. Social Media ist keine Abteilung sondern ein Ansatz, dieser Gedanke muss im gesamten Unternehmen ankommen.
Was muss man mitbringen, um Social Media Manager zu sein?
Der Social Media Manager ist jemand der empathisch, offen, kommunikativ und überzeugend sein muss. Ein Teamplayer, der Menschen führen und begeistern kann und gleichzeitig sehr strategisch und im ganzheitlichen Bild denkt. Er (oder sie) muss in der Lage sein die Dynamik im Web auf Unternehmensprozesse und Ziele zu übertragen, sowie Kommunikation als ganzheitliches Konstrukt zu begreifen. Kenntnisse der jeweiligen Branche und wie Unternehmen „ticken“ sind genauso wichtig, wie ein Verständnis dafür, wie man mit Menschen aus den unterschiedlichsten Hierarchieebenen spricht. Interesse für Webtools und -techniken setze ich voraus.
Wie oben bereits erwähnt sind Frustrationstoleranz und Langmut ebenfalls wichtige Eigenschaften. Für mich einer der Schlüsselfaktoren ist die Leidenschaft für Social Media und den Job an sich, denn man lernt hier nie aus, muss sich stetig und auch über die Arbeitszeit hinaus weiterbilden und vernetzen. Das macht nur dauerhaft Spaß macht, wenn man in dem aufgeht, was man tut.
In welcher Pflicht steht der Social Media Manager gegenüber anderen Abteilungen? (Zahlen, Berichte, Fakten)
Zunächst einmal sollte der Social Media Manager in der Lage sein jedem zu erklären, warum Social Media bedeutsam für das Unternehmen ist und Berater, Coach und Pate für jede Abteilung sein.
Darüber hinaus finde ich persönlich essentiell wichtig eine Brücke zwischen Metriken wie Fan, Likes und Shares zu den Unternehmenszielen zu bauen. Eine Million Fans sind schön und gut, aber irgendwann wird die Geschäftsführung dann doch wieder Fragen – was bringt uns das eigentlich, wo ist das Geld? Mein Tipp an dieser Stelle – das Pferd von hinten aufzäumen. Der erste Schritt ist sich genau zu überlegen, welche Ziele für Social Media aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden können. Der Zweite Schritt ist ein Sozial Media Ziel auf eine Kennzahl runter zu brechen. Im dritten Schritt wird jetzt diese Kennzahl in messbare Metriken zerlegt. Ich möchte das ganze kurz an einem stark vereinfachten Beispiel aus meinem Buch erläutern.
Das Unternehmensziel »Kosteneinsparung« wird hier auf einen KPI für Social Media heruntergebrochen. In dem Beispiel wird der Beitrag des Kundenservices betrachtet. Da weniger Vorgänge im Callcenter mit weniger Kosten einhergehen, wird als Unternehmensmetrik »Senkung der Vorgänge im Callcenter« abgeleitet. Auf dieser Basis wird im Bereich Social Media das Ziel »Entlastung des Kundenservices durch Social Media« abgeleitet. Dieses kann mit der Metrik »Prozent der Anfragen, die außerhalb des Callcenters gelöst wurden« gemessen werden. Natürlich ist dieses Beispiel sehr vereinfacht, und die Kosten, die durch die Einrichtung des Social-Media-Teams anfallen, werden nicht mit einberechnet. Das Prinzip sollte jedoch klar werden.
Es gibt hier für fast jedes Unternehmensziel die passenden Kennzahlen, man muss sich nur intensiv mit der Thematik beschäftigen. (Eine Inspiration bietet hier die KPI Pyramide von BIG, die 4×4 Scorecard von Mike Schwede und auch das Social Marketing Analysis Modell von Altimeter und Web Analytics Demystified). Wenn der Social Media Manager in der Lage ist, seinen Beitrag zum Unternehmenserfolg nachzuweisen, werden selbst die letzten Kritiker sehr schnell leise.
Liebe Vivian, ich bedanke mich für das ausführliche Interview. Vielen Dank für die vielen Anregungen und Praxistipps, die Du uns hinterlässt. Wir wünschen Dir viel Erfolg mit dem Buch!
Vivian Pein ist erfahrene Social Media- und Community-Managerin und integriert Social Media in Firmenkulturen. Sie berät und referiert rund um die Themen Social Media- und Community-Management. In ihrer Freizeit organisiert Sie unter anderem die größte „Unkonferenz“ für Social Media- und Community-Manager, das CommunityCamp, und ist im Vorstand des Bundesverbandes Community Management e.V. für digitale Kommunikation und Social Media (BVCM).